Wer auf die Paywall setzt, wird scheitern

Für das Journalistikon der TU Dortmund habe ich vor kurzem einen Beitrag über die Paywall geschrieben. Derzeit geht der Trend mal wieder hin zur Bezahlschranke, das Freemium- scheint sich gegenüber dem Metered Modell dabei durchzusetzen.

Wer auf die Paywall setzt, wird scheitern.

Ausnahmen gibt es nur bei den journalistischen Angeboten, die dauerhaft exklusive, serviceorientierte und hochwertige Inhalte anbieten und auf einen starken Markennamen bauen können. Auch hier gäbe es aber noch mehr Potenzial, wenn sie keine klassische Paywall einführen. Gegen eine Paywall gibt es viele Argumente:

  • Warum soll der User für etwas zahlen, was er häufig an anderer Stelle kostenlos bekommt? In der Regel meine ich damit natürlich andere Nachrichtenportale. Es ist aber auch schon vorgekommen, dass eine Landratsamts-Pressemitteilung 1:1 kopiert hinter einer Zeitungs-Paywall gelandet ist.
  • Warum soll der User heute für etwas zahlen, was er bislang kostenlos bekommen hat? Denn mit der Einführung einer Paywall erhält der User ja nicht zwingend neue, multimedialere und besser recherchierte Inhalte.
  • Die Bezahlmodelle sind zu kompliziert. Jeder Verlag hat andere Modelle und Zahlungsverfahren. Ich erinnere mich noch daran, wie Berater Michael Praetorius vor etlichen Jahren auf einer Konferenz beides vorgeführt hat: Wie schwierig es war und wie viele Klicks man gebraucht hat, um sich für ein „Zeit“-Abo zu registrieren – und mit wie wenigen Klicks man sich via Facebook verbinden konnte, um sich in einer Singlebörse anzumelden. Hinzu kommt, dass Verlage sich an neue Preisstrukturen gewöhnen müssen: 9,99 Euro als Obergrenze – und keine zig verschiedenen Abovarianten.

Dass eine klassische Paywall nicht funktioniert, heißt aber nicht, dass man digital vom User kein Geld bekommt.

Die ehemaligen Macher der deutschen Wired gründen das Portal 1e9.

Ein Team um den ehemaligen Wired.de-Redaktionsleiter Wolfgang Kerler gründet derzeit gerade 1e9: eine digitale Plattform und ein Digitalevent. Auch für 1e9 zahlt der User Geld. Der entscheidende Unterschied: er bekommt eine „membership of the 1e9_community“. Er wird Mitglied in einem Kreis, der sich Gedanken über die (digitale) Zukunft macht. Das traditionelle Sender-Empfänger-Modell im Journalismus soll aufgebrochen werden. Es wird kein klassisches journalistisches Produkt. Im Mittelpunkt steht die Community. Zwei Punkte sollen ernst genommen werden, die das gesamte Social Web auszeichnen: User generated content und Dialoge statt Monologe.

Natürlich kommt es auf eine Marktanalyse, Zielgruppendefinition und die Umsetzung auch an. Aber es gibt in meinen Augen ein paar Punkte, wann man Geld vom User bekommen kann:

1. Weg mit dem Begriff Paywall!

Wir haben im Journalismus in den vergangenen Jahren doch genügend Debatten über Framing geführt und sind inzwischen sensibel, wenn es um verschiedenste journalistische Themen dabei geht. Warum verwenden wir dennoch selbst weiterhin den Begriff Paywall oder Bezahlschranke? Community, Membership usw. – sind es nicht eher diese Begriffe, die man online erwarten dürfte?

2. Eintrittskarte für die gesamte Markenwelt

„Nachrichten sind nichts mehr Wert.“ Das hat schon 2010 mein Eichstätter Kollege Prof. Klaus Meier gesagt. Es wird schwer sein, für eine klassische Nachrichten-Website Geld zu verlangen. Die Gründe habe ich oben aufgeführt. Aber man kann eine Markenwelt schaffen: aus ePaper (was von der Konzeption nur traditionelle Zeitungsleser, aber keine jungen Menschen verstehen), Website, Gastronomie-Tipps, Veranstaltungskalender-App, Meetups und Events (wie zum Beispiel eben bei 1e9). Das sind für die Community die naheliegendsten Ideen. Im Idealfall wird der Verlag zu einem Begleiter und Berater durch den Alltag und das Leben.

Verlage, die dafür zu klein sind, haben nur dann eine Chance, Geld vom User zu verdienen, wenn sie auf das Modell Spotify setzen: eine Flatrate für Inhalte verschiedenster Unternehmen. Entweder sie gründen eine eigene Plattform oder setzen auf bestehende wie Readly. Der Nachteil ist hier: Die Plattform behält einen Teil der Einnahmen für sich ein.

3. Journalisten als Moderatoren

In einer Community oder einem Club fühlt sich der User nur dann wohl, wenn er ernst genommen wird, mitreden darf und ihm Wertschätzung entgegengebracht wird. Das führt zu einem völlig neuen Rollenbild für den Journalisten, der mehr zu einer Art Moderator wird. Natürlich muss er – auch wenn dies anstrengend ist – seine traditionellen journalistischen Grundsätze weiter beherzigen. Gerade den Dialog ernst zu nehmen, ist es aber, was den Mehrwert des Internets gegenüber Print und Fernsehen ausmacht (im Radio gab es bislang noch die meiste Hörerbeteiligung, im Print eigentlich nur Leserbriefe und im Fernsehen den TED früher bei Wetten dass…?). Der Journalist muss dem User auf Augenhöhe gegenübertreten und sich in erster Linie als Dienstleister verstehen.

Zur Finanzierung der Medien und neuen Geschäftsmodellen haben wir mehrmals die Tagung „Transforming Media“ in Nürnberg veranstaltet und ein Buch herausgegeben:

Markus Kaiser/Stefan Sutor: Transforming Media. Neue Geschäftsmodelle in der digitalen Welt, München 2017.

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4 Kommentare zu „Wer auf die Paywall setzt, wird scheitern

  1. Lieber „Kaiser“ Markus

    ein guter Beitrag – wie ich überhaupt deinen Medienblog als sehr gut gemacht empfinde, Kompliment dafür!

    Besten Gruß

    Michael Husarek Chefredakteur Nürnberger Nachrichten

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    VERLAG NÜRNBERGER PRESSE DRUCKHAUS NÜRNBERG GmbH & Co. KG

    Marienstraße 9 – 11 90402 Nürnberg _________________________________________

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    Persönlich haftende Gesellschafterin: Druckhaus Nürnberg GmbH Geschäftsführerinnen: Bärbel Schnell, Sabine Schnell-Pleyer Sitz der Gesellschaft: Nürnberg Registergericht Nürnberg HRB 760

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  2. Ich glaube nicht, dass Paywall gleich Scheitern ist, lieber Markus. Dass Freemium, Metered oder harte Paywall sicher nur Vorstufen eines von Algorithmen gesteuerten Zahlmodells sind, sieht man in Skandinavien. Und Du hast sicher Recht, dass traditionelle Zeitungsinhalte digital nicht zum Bezahlen anregen: Zu kleine Zielgruppen, zu wenig relevant, zu wenig nutzwertig. Darum bemühen sich ja nun viele Redaktionen um hochwertigen Journalismus. Ein Reichweitenmodell, sprich eine Werbefinanzierung, funktioniert ja jetzt bereits nicht bei Regionalzeitungen. Dazu ist die Reichweite schlicht zu gering. Ausnahme mögen – derzeit noch – über viele Regionen skalierte Modelle wie das von Ippen Digital sein.

    Neu ist das alles nicht. Reichweitenmodelle sind auf print übertragen Anzeigenblätter, und da ist der redaktionelle Inhalt aus Kostengründen eingeschränkt. Tageszeitungen haben Bezahlschranken – und das viele Jahrzehnte erfolgreich.

    Der Umbruch von print auf digital ist vorrangig eine fundamentale Veränderung des Journalismus. Daran müssen wir arbeiten.

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    1. Danke für Deinen Beitrag zur Debatte. An der fundamentalen Veränderung von print auf digital müssen wir wirklich arbeiten. Es geht um einen echten Change hier, nicht nur um Evolution. Ich drücke Dir im hohen Norden die Daumen!

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