Warum Chatbots unterschätzt werden

„Bis zum Jahr 2020 wird ein durchschnittlicher Bürger mehr Konversation mit einem Bot betreiben als mit dem Lebenspartner.“

Prognose des US-Marktforschungsunternehmens Gartner


Ich musste selbst erst einmal mit dem Kopf schütteln, als ich diese Prognose gelesen habe. Im Oktober 2016 hat Gartner diese kühne Behauptung aufgestellt. Im nächsten Jahr soll es also schon so weit sein? In welchen Situationen könnte ich denn mit automatisierter Kommunikation in Kontakt kommen statt mit menschlicher? Wenn man an Voice-Assist-Systeme wie Amazons Alexa, Apples Siri oder die vielen neuen Chatbots denkt, wirkt die Prognose von Gartner aber schon gar nicht mehr so unrealistisch. Vielleicht wird nicht jeder 2020 bereits mehr Konversation mit einem Bot betreiben als mit dem Lebenspartner (offen ist natürlich auch die Frage, wie viel Kommunikation ein durchschnittlicher Bürger mit seinem Lebenspartner hat). Aber dass automatisierte Kommunikation zunehmen wird, halte ich für sicher.

Cover des Buchs Chatbots von Markus Kaiser, Aline-Florence Buttkereit und Johanna Hagenauer.
Das Praxisbuch über Chatbots ist bei SpringerVS erschienen.

Aus diesem Grund habe ich mich im vergangenen Jahr neben den Themenschwerpunkten Newsrooms im Journalismus und in der Unternehmenskommunikation sowie Hörerdatenmanagement in der angewandten Forschung schwerpunktmäßig um Chatbots gekümmert. An der TH Nürnberg haben wir unter anderem ein Lehrforschungsprojekt zu Chatbots und automatisierter Kommunikation gestartet. Gemeinsam mit Digitalberaterin Aline-Florence Buttkereit und UX-Designerin Johanna Hagenauer haben wir einen Design Sprint durchgeführt. Letztlich ist das Buch „Chatbots. Automatisierte Kommunikation im Journalismus und in der Public Relation“ im Verlag SpringerVS entstanden, das soeben erschienen ist.

Was sind aber nun die Gründe, warum Chatbots in naher Zukunft eine bedeutende Rolle spielen werden?

  • Ähnlich wie bei Multimedia-Storys oder Mobile reporting ist es kein Hexenwerk mehr, einen Chatbot zu erstellen. Wenn eine neue Mediengattung entsteht, hat man als First Mover immer einen sehr hohen Kostenblock für die Programmierung. Inzwischen gibt es für Chatbots aber genügend technische Tools, die es kinderleicht machen, ein Konzept umzusetzen. Das aufwändigere und schwierigere ist es hier schon, sich vorab genau die Zielsetzung und Zielgruppe für seinen Chatbot zu überlegen.
  • User erwarten heute, dass Unternehmen und Redaktionen nicht mehr nur von nine to five erreichbar sind. Chatbots ermöglichen es, auch außerhalb dieser Kernzeiten einen Teil von Anfragen abzufangen.
  • Was mit dem Web 2.0 begann, setzt sich immer stärker fort: User wollen Dialoge statt Einbahnstraßen-Kommunikation. Dies zeigt sich durch den Erfolg von Facebook genauso wie von WhatsApp und anderen Social-Media-Kanälen. Chatbots lassen sich hier (wie zum Beispiel Chatfuel für Facebook) inzwischen sehr gut einbinden. Chatbots sind also nicht mehr nur etwas für die eigene Website.
  • Das Internet wird immer unübersichtlicher. Roboterjournalismus trägt schon heute seinen Anteil dazu bei, dass immer mehr (eben auch vom Computer generierte) Texte entstehen. Wir nutzen deshalb heute in der Regel klassische Suchmaschinen wie Google, um im Informationsdschungel noch den Überblick zu behalten. Ich selbst nutze Google mit dem speziellen „site:“-Befehl (wie zum Beispiel „site:nordbayern.de“) sogar lieber als die Suchfunktion auf einer Website. Hier sehe ich allerdings künftig auch Chatbots, die einen durch Websites navigieren.

Wenn man heutige Chatbots testet, muss man viele noch nicht gut finden. Ich sehe bei fast allen noch viel Entwicklungspotenzial (vor allem konzeptionell). Insbesondere Dialogbäume sind noch deutlich ausbaubar – und dann sollte sich der Chatbot doch auch bitteschön meine Eingaben von gerade eben merken, statt (wie Lufthansa Mildred) immer wieder neu zu fragen, wohin ich denn fliegen möchte. Sicher wird sich trotz aller derzeit noch vorhandenen Schwächen der Trend zu automatisierter Kommunikation fortsetzen. Deshalb werde ich auch an dieser Stelle wohl noch öfter auf Chatbots zu sprechen kommen.

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