Warum wir dringend über Qualität im Journalismus sprechen müssen

Ab heute treffen sich Journalistinnen und Journalisten, Verbandsvertreter, Forscher und Journalistenausbilder zu ihrem jährlichen Dreiländer-Treffen der Initiative Qualität im Journalismus (IQ) in München. Das Treffen mit den Kolleginnen und Kollegen aus Österreich und der Schweiz unter der Leitung der früheren journalist-Chefredakteurin Ulrike Kaiser ist jedes Jahr sehr aufschlussreich, aber es ist oftmals auch deprimierend zu sehen, wie vor allem der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ORF und SRF) in den jeweiligen Ländern unter Beschuss steht.

Wir führen ab heute eine wichtige Debatte über aktuelle Entwicklungen und Initiativen im Bereich Qualität im Journalismus. Es wird dabei um Medienpolitik gehen, um Ausbildung, um den Medienmarkt, um Selbstkontrolle und um neue journalistische Formate. Wir müssen dringend über Qualität im Journalismus sprechen. Nicht weil es keine qualitätvollen Angebote (mehr) gibt. Ganz im Gegenteil. Es gibt dank digitaler Medien so viele hochwertige, top recherchierte und wunderbar aufbereitete Inhalte wie nie zuvor. Wir müssen vielmehr darüber sprechen, wie Qualitätsjournalismus als solcher sichtbar bleibt. Und wir müssen darüber sprechen, wie wir in der Gesellschaft ein gemeinsames Verständnis von Qualitätsjournalismus erhalten bzw. wieder neu schaffen.

1. Wie bleibt Qualität sichtbar?

Es ist ein bisschen wie auf einem Weg. Zu Fußgängern kommen immer neue Verkehrsteilnehmer hinzu: Autos, Fahrräder, E-Bikes und jetzt E-Roller. Der Weg wird unübersichtlicher und gefährlicher. In den Medien gibt es immer mehr Sender: neben Journalisten Unternehmen, Verbände, Parteien und Politiker und Privatpersonen. Daran ist erst einmal nichts Schlechtes und nichts auszusetzen, wenn jeder die Möglichkeit hat zu publizieren und – wie ja vom Grundgesetz garantiert – auch seine Meinung zu äußern. Problematisch ist es nur, wenn nicht mehr auf den ersten Blick sichtbar ist, ob es sich um Journalismus, Public Relations oder eine Lügen-Kampagne handelt und wer der Absender ist. Hinzu kommt, dass Algorithmen und die Aufmerksamkeitsökonomie nicht gerade die besten Freunde vom Journalismus sind, sondern Clickbaiting bevorzugen.

Noch problematischer wird es künftig, wenn nicht mehr nur Menschen, sondern in noch stärkerem Maße als heute schon Software Texte verfasst und damit die Suchmaschinen dominiert. Hierzu zwei Gedanken, die gerne diskutiert werden dürfen: 1. Ich plädiere für eine im Pressekodex vorgeschriebene Kennzeichnungspflicht von automatisch generierten Texten. Roboterjournalismus bietet viele Chancen und ist keineswegs zu verteufeln, zumal er ohnehin nicht aufzuhalten ist. Mir geht es hier um eine möglichst hohe Transparenz. 2. So wie man heute Google mit dem Befehl filetype:pdf zum Beispiel speziell nach pdf durchsuchen kann, sollte es möglich sein, relativ einfach bei einer Suchmaschine einstellen zu können, ob man nur von Menschen geschriebene Texte, nur von Software produzierte Texte oder beides in den Suchergebnissen angezeigt bekommen möchte.

Die „News-WG“ des Bayerischen Rundfunks – die „moderne Tagesschau“?

Schwierig wird die Auffindbarkeit von Qualitätsjournalismus außerdem, weil Journalisten nicht mehr nur im Radio, Fernsehen, in der Zeitung und auf ihrer eigenen Website Berichte, Reportagen, Feature und Kommentare veröffentlichen, sondern auch die Medien nutzen, die von Hause aus für Nicht-Journalisten gedacht waren (wie zum Beispiel Facebook oder Instagram). Ich begrüße ausdrücklich, dass Journalisten hier Präsenz zeigen und soziale Medien mit hochwertigem Inhalt füllen. Ich sage nur, dass es dabei schwierig ist, als Qualitätsjournalismus dort wahrgenommen zu werden. Beim IQ-Dreiländer-Treffen stellt Katrin Pötzsch zum Beispiel die „News-WG“ vom Bayerischen Rundfunk vor, überspitzt formuliert eine Art „moderne Tagesschau“ für Jugendliche. Es ist ein sehr professionell und sehr gut gemachtes Nachrichtenformat. Nur stellt sich auch hier die Frage, wie dies unter all den Influencer-Accounts sichtbar gemacht werden kann.

Auch folgenden Vorschlag stelle ich sehr gerne zur Diskussion: Könnte man vielleicht neben dem blauen „Echtheits-Haken“ eines Profils einen weiteren in einer anderen Farbe erfinden, mit dem journalistische Inhalte gekennzeichnet werden? Diesen sollten nicht nur traditionelle Verlage und Rundfunksender erhalten, sondern diejenigen, die sich an den Pressekodex halten und somit verantwortungsbewusst journalistisch arbeiten.

2. Was verstehen wir unter Qualitätsjournalismus?

Es ist wichtig, deutlich zu machen, worin sich Journalismus von anderem Content im Internet unterscheidet. Uns Journalisten wurde prominent in den Grundrechten des Grundgesetzes nicht ein eigener Artikel mit der Pressefreiheit gewidmet, um Katzenbilder, unser Mittagessen oder irgendwelche nicht weiter recherchierten Gerüchte zu veröffentlichen. Der Journalismus hat eine Wächterfunktion. Ob man sie neben der Exekutiven, Legislativen und Judikativen nun als „vierte Gewalt“ bezeichnet oder nicht, ändert nichts daran, wie bedeutend Qualitätsjournalismus für die Demokratie ist.

Genau dafür muss in der Gesellschaft wieder ein Bewusstsein geschaffen werden. Beim IQ-Dreiländer-Treffen spricht Sarah Beham, Nachrichtenredakteurin des Bayerischen Rundfunks, darüber, wie Redaktionen Vertrauen aufbauen. Klaus Ott, Redakteur der Süddeutschen Zeitung, stellt die Projekte „Journalisten erklären sich: Medienkunde an Schule und Hochschule“ vor. Um eine Breitenwirkung zu erzielen, halte ich nach wie vor ein Schulfach Medienkunde für notwendig.

Wenn ich einen Workshop über Verifikation und Faktencheck gebe, werde ich oft gefragt: Wie soll ein User denn all das selbst machen? Wirklich jedes Mal ins Impressum schauen? Immer die Google-Rückwärtssuche nutzen? Alle Fakten gegenchecken? Meine Antwort: Das muss er ja nicht. Genau dafür gibts ja den professionellen Journalismus, der ihm diese Arbeiten abnimmt. Genau das ist nämlich auch seine Aufgabe: Eine fundierte Recherche, auf die man sich als User verlassen kann.

Dies bedeutet aber auch, dass wir endlich auch einmal das als Public Relations bezeichnen müssen, was kein Journalismus ist, aber auf unseren journalistischen Plattformen veröffentlicht wird. Ich plädiere dafür, dass gerade auch in gedruckten Lokalzeitungen deutlich gekennzeichnet wird, wenn ein Text vom Ortsvereinsvorsitzenden einer Partei oder von einem Vereinsmitglied statt von einem echten (freien) Journalisten geschrieben worden ist. Möglich wäre eine Angabe am Ende „Der Autor ist…“ (es muss nicht – wie früher vom ehemaligen Chefredakteur Joachim Braun beim „Nordbayerischen Kurier“ in Bayreuth eingeführt – eine Trennung in eine wöchentliche extra Vereinsbeilage sein). Auch hier erhoffe ich mir mehr Transparenz, die langfristig den Qualitätsjournalismus stärken wird. Wir Journalisten müssen endlich einmal auch alle unsere Traditonen hinterfragen und Qualitätsjournalismus vorleben.

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