„TUI bekommt Staatskredit über 1,8 Milliarden Euro.“ (Spiegel) „Bund will bis zu 365 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen.“ (Süddeutsche Zeitung) „Land stützt Wirtschaft mit Milliarden-Hilfspaket“ (Die Welt)
Drei Überschriften von drei Qualitätsmedien, die Leserinnen und Leser leider nur ratlos zurücklassen. Noch schneller als bei der Euro-Krise wird – verbal – mit Milliarden um uns geworfen. Die Zahlen klingen eindrucksvoll. Die Politik will damit beruhigen, dass sie etwas tut. Doch leider wird von Medien nur höchst selten eingeordnet, was dies bedeutet.
Sind 365 Milliarden Euro neue Schulden viel? Die Zahlen klingen schwindelerregend. Hier wünschte man sich vor allem Vergleiche, um dies einordnen und kapieren zu können. Nur durch Vergleiche (wie man sie bei Flächen durch den abgedroschenen Vergleich mit der Anzahl von Fußballplätzen kennt) können diese einigermaßen greifbar werden.
Zahlen und Statistiken nützen Leserinnen und Lesern nur dann etwas, wenn sie eingeordnet werden. Foto: Pixabay
Deshalb ein Lesetipp: „So lügt man mit Statistik“ von Walter Krämer. Der Statistik-Professor der TU Dortmund sensibilisiert, wie mit Zahlen, Grafiken und Tabellen manipuliert werden kann. In einem Gastbeitrag gibt Roland Schatz, Chef von Media Tenor, außerdem „7 Tipps für besseren Corona-Journalismus“.
Journalismus ist systemrelevant. Es ist wichtig, dass er auch in der Ausnahmesituation hinterfragt und verschiedenste Experten zu Wort kommen lässt, aber auch einordnet. Ein paar Beispiele:
Wenn Unternehmen, aber auch Sportvereine oder andere Organisationen beklagen, wie viele Millionen sie durch die Corona-Krise „verlieren“, muss hinterfragt werden, wie sich diese Zahl ergeben hat und vor allem auch, auf welchen Zeitraum sie sich bezieht.
Die Liste an Ländern mit den meisten Infizierten und den meisten Todesfällen alleine besitzt keine Aussagekraft. Sie ließe sich nur vergleichen, wenn überall exakt gleich getestet werden würde. Außerdem muss auch diese im zeitlichen Kontext und zum Beispiel zur Bevölkerungszahl eingeordnet werden.
Wie hoch ist die als Hilfe in Aussicht gestellte Staatsverschuldung im Vergleich zum Gesamthaushalt? Was bedeutet dies für geplante künftige Infrastrukturprojekte?
Das sind nur einige Beispiele für Fragen, um die Auswirkungen der durch den Corona-Virus entstandenen Krise für Leserinnen und Leser greifbarer zu machen. Genau das ist heute eine der wichtigen Aufgaben für Journalistinnen und Journalisten.
Ganz so einfach war es gar nicht, Journalistinnen und Journalisten zu ethischen Aspekten im Roboterjournalismus zu befragen. Thomas Zeilinger, Professor für Christliche Publizistik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, und ich haben für unsere Studie festgestellt, dass sich noch relativ wenige wirklich tief mit dem Thema automatisierter Textgenerierung beschäftigt haben. Unsere Ergebnisse haben wir in dieser Woche auf der Jahrestagung des Netzwerks Medienethik und der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft an der Hochschule für Philosophie in München vorgestellt.
Fast drei Viertel der Befragten gaben an, dass es für die Kennzeichnung von automatisiert erstellten Texten allgemeine Standards geben sollte. Foto: Pixabay
117 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sich am Online-Fragebogen im Januar 2020 beteiligt, darunter 88 Journalistinnen und Journalisten, 23 Ausbilderinnen und Ausbilder und sechs Vertreter von Journalismus-Verbänden. Wenig überraschend war die Antwort auf die Frage, ob automatisch generierte Texte als solche gekennzeichnet werden sollten: 79 Prozent der Befragten antworteten mit „Ja“, 18 Prozent mit „Nein“ und 3 Prozent mit „Weiß nicht“. Das freie Eingabefeld, wie diese Kennzeichnung gemacht werden sollte, wurde von keinem einzigen Teilnehmer ausgefüllt. Unsere Schlussfolgerung: Wir haben die „sozial erwünschten“ Antworten erhalten, aber wir stellten nur wenig Engagement fest, sich Gedanken darüber zu machen, wie dies am besten aussehen könnte. Und vermutlich hatten sich viele bisher damit noch zu wenig beschäftigt, um eine dezidierte Meinung zu haben, ob dies mit einer Autorenzeile, einem Kürzel, einem Logo oder einem Hinweissatz unter dem Textbeitrag sein sollte.
Medien und Wahrheit war das Thema der Jahrestagung in München
Deutlich sprachen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dafür aus, dass es Standards für die Kennzeichnung von Roboterjournalismus geben sollte und nicht jede Redaktion je nach Design der eigenen Website eine selbstständige Entscheidung trifft. 78 Prozent plädierten für allgemeingültige Standards, 20 Prozent waren der Ansicht, das sollte jede Redaktion selbst festlegen und 2 Prozent antworteten mit „Weiß nicht“. Auf die Frage, wer denn diese Kennzeichnung regeln sollte, gab es für das freie Textfeld nur sieben Antworten: der Deutsche Presserat (4), der Gesetzgeber (1), ein Redaktionsstatut (1) und die Redaktion (1).
Google bietet in der erweiterten Suche ja verschiedenste Möglichkeiten, etwa wie in diesem Bild die spezifische Suche nur nach pdf-Dokumenten (analog funktioniert dies mit filetype: docx auch für Word und andere Dokumente) oder nur auf bestimmten Websites mit site:zeilingers-zeilen.de etc. Wir haben deshalb gefragt, ob Suchmaschinen eine Einstellung anbieten sollten, dass man speziell nach vom Menschen bzw. von einer Software verfassten Texten suchen können sollte. Etwas überraschend wird darin von den 177 Befragten gar kein Mehrwert gesehen. Nur 32 der 177 Befragten (27 Prozent) wünschen sich diese Funktion, 83 (71 Prozent) nicht und 2 Prozent gaben „Weiß nicht“. an.
Einen großen Unterschied stellten wir zwischen den befragten Gruppen fest, ab wann die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwarten, dass Roboterjournalismus im deutschsprachigen Raum eine bedeutende Rolle spielen werde: Hier zeigte sich, dass der Großteil der Journalismus-Ausbilderinnen und -Ausbilder innerhalb von ein bis zwei Jahren damit rechnet, während die Journalistinnen und Journalisten dies erst innerhalb von drei bis fünf Jahren erwarten.
Ab heute treffen sich Journalistinnen und Journalisten, Verbandsvertreter, Forscher und Journalistenausbilder zu ihrem jährlichen Dreiländer-Treffen der Initiative Qualität im Journalismus (IQ) in München. Das Treffen mit den Kolleginnen und Kollegen aus Österreich und der Schweiz unter der Leitung der früheren journalist-Chefredakteurin Ulrike Kaiser ist jedes Jahr sehr aufschlussreich, aber es ist oftmals auch deprimierend zu sehen, wie vor allem der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ORF und SRF) in den jeweiligen Ländern unter Beschuss steht.
Wir führen ab heute eine wichtige Debatte über aktuelle Entwicklungen und Initiativen im Bereich Qualität im Journalismus. Es wird dabei um Medienpolitik gehen, um Ausbildung, um den Medienmarkt, um Selbstkontrolle und um neue journalistische Formate. Wir müssen dringend über Qualität im Journalismus sprechen. Nicht weil es keine qualitätvollen Angebote (mehr) gibt. Ganz im Gegenteil. Es gibt dank digitaler Medien so viele hochwertige, top recherchierte und wunderbar aufbereitete Inhalte wie nie zuvor. Wir müssen vielmehr darüber sprechen, wie Qualitätsjournalismus als solcher sichtbar bleibt. Und wir müssen darüber sprechen, wie wir in der Gesellschaft ein gemeinsames Verständnis von Qualitätsjournalismus erhalten bzw. wieder neu schaffen.
1. Wie bleibt Qualität sichtbar?
Es ist ein bisschen wie auf einem Weg. Zu Fußgängern kommen immer neue Verkehrsteilnehmer hinzu: Autos, Fahrräder, E-Bikes und jetzt E-Roller. Der Weg wird unübersichtlicher und gefährlicher. In den Medien gibt es immer mehr Sender: neben Journalisten Unternehmen, Verbände, Parteien und Politiker und Privatpersonen. Daran ist erst einmal nichts Schlechtes und nichts auszusetzen, wenn jeder die Möglichkeit hat zu publizieren und – wie ja vom Grundgesetz garantiert – auch seine Meinung zu äußern. Problematisch ist es nur, wenn nicht mehr auf den ersten Blick sichtbar ist, ob es sich um Journalismus, Public Relations oder eine Lügen-Kampagne handelt und wer der Absender ist. Hinzu kommt, dass Algorithmen und die Aufmerksamkeitsökonomie nicht gerade die besten Freunde vom Journalismus sind, sondern Clickbaiting bevorzugen.
Noch problematischer wird es künftig, wenn nicht mehr nur Menschen, sondern in noch stärkerem Maße als heute schon Software Texte verfasst und damit die Suchmaschinen dominiert. Hierzu zwei Gedanken, die gerne diskutiert werden dürfen: 1. Ich plädiere für eine im Pressekodex vorgeschriebene Kennzeichnungspflicht von automatisch generierten Texten. Roboterjournalismus bietet viele Chancen und ist keineswegs zu verteufeln, zumal er ohnehin nicht aufzuhalten ist. Mir geht es hier um eine möglichst hohe Transparenz. 2. So wie man heute Google mit dem Befehl filetype:pdf zum Beispiel speziell nach pdf durchsuchen kann, sollte es möglich sein, relativ einfach bei einer Suchmaschine einstellen zu können, ob man nur von Menschen geschriebene Texte, nur von Software produzierte Texte oder beides in den Suchergebnissen angezeigt bekommen möchte.
Die „News-WG“ des Bayerischen Rundfunks – die „moderne Tagesschau“?
Schwierig wird die Auffindbarkeit von Qualitätsjournalismus außerdem, weil Journalisten nicht mehr nur im Radio, Fernsehen, in der Zeitung und auf ihrer eigenen Website Berichte, Reportagen, Feature und Kommentare veröffentlichen, sondern auch die Medien nutzen, die von Hause aus für Nicht-Journalisten gedacht waren (wie zum Beispiel Facebook oder Instagram). Ich begrüße ausdrücklich, dass Journalisten hier Präsenz zeigen und soziale Medien mit hochwertigem Inhalt füllen. Ich sage nur, dass es dabei schwierig ist, als Qualitätsjournalismus dort wahrgenommen zu werden. Beim IQ-Dreiländer-Treffen stellt Katrin Pötzsch zum Beispiel die „News-WG“ vom Bayerischen Rundfunk vor, überspitzt formuliert eine Art „moderne Tagesschau“ für Jugendliche. Es ist ein sehr professionell und sehr gut gemachtes Nachrichtenformat. Nur stellt sich auch hier die Frage, wie dies unter all den Influencer-Accounts sichtbar gemacht werden kann.
Auch folgenden Vorschlag stelle ich sehr gerne zur Diskussion: Könnte man vielleicht neben dem blauen „Echtheits-Haken“ eines Profils einen weiteren in einer anderen Farbe erfinden, mit dem journalistische Inhalte gekennzeichnet werden? Diesen sollten nicht nur traditionelle Verlage und Rundfunksender erhalten, sondern diejenigen, die sich an den Pressekodex halten und somit verantwortungsbewusst journalistisch arbeiten.
2. Was verstehen wir unter Qualitätsjournalismus?
Es ist wichtig, deutlich zu machen, worin sich Journalismus von anderem Content im Internet unterscheidet. Uns Journalisten wurde prominent in den Grundrechten des Grundgesetzes nicht ein eigener Artikel mit der Pressefreiheit gewidmet, um Katzenbilder, unser Mittagessen oder irgendwelche nicht weiter recherchierten Gerüchte zu veröffentlichen. Der Journalismus hat eine Wächterfunktion. Ob man sie neben der Exekutiven, Legislativen und Judikativen nun als „vierte Gewalt“ bezeichnet oder nicht, ändert nichts daran, wie bedeutend Qualitätsjournalismus für die Demokratie ist.
Genau dafür muss in der Gesellschaft wieder ein Bewusstsein geschaffen werden. Beim IQ-Dreiländer-Treffen spricht Sarah Beham, Nachrichtenredakteurin des Bayerischen Rundfunks, darüber, wie Redaktionen Vertrauen aufbauen. Klaus Ott, Redakteur der Süddeutschen Zeitung, stellt die Projekte „Journalisten erklären sich: Medienkunde an Schule und Hochschule“ vor. Um eine Breitenwirkung zu erzielen, halte ich nach wie vor ein Schulfach Medienkunde für notwendig.
Wenn ich einen Workshop über Verifikation und Faktencheck gebe, werde ich oft gefragt: Wie soll ein User denn all das selbst machen? Wirklich jedes Mal ins Impressum schauen? Immer die Google-Rückwärtssuche nutzen? Alle Fakten gegenchecken? Meine Antwort: Das muss er ja nicht. Genau dafür gibts ja den professionellen Journalismus, der ihm diese Arbeiten abnimmt. Genau das ist nämlich auch seine Aufgabe: Eine fundierte Recherche, auf die man sich als User verlassen kann.
Dies bedeutet aber auch, dass wir endlich auch einmal das als Public Relations bezeichnen müssen, was kein Journalismus ist, aber auf unseren journalistischen Plattformen veröffentlicht wird. Ich plädiere dafür, dass gerade auch in gedruckten Lokalzeitungen deutlich gekennzeichnet wird, wenn ein Text vom Ortsvereinsvorsitzenden einer Partei oder von einem Vereinsmitglied statt von einem echten (freien) Journalisten geschrieben worden ist. Möglich wäre eine Angabe am Ende „Der Autor ist…“ (es muss nicht – wie früher vom ehemaligen Chefredakteur Joachim Braun beim „Nordbayerischen Kurier“ in Bayreuth eingeführt – eine Trennung in eine wöchentliche extra Vereinsbeilage sein). Auch hier erhoffe ich mir mehr Transparenz, die langfristig den Qualitätsjournalismus stärken wird. Wir Journalisten müssen endlich einmal auch alle unsere Traditonen hinterfragen und Qualitätsjournalismus vorleben.
Ich habe heute schon den ganzen Tag damit verbracht, mich durch das Netz zu klicken. Und das, obwohl ich lediglich eine einfache Suchanfrage bei Google gestellt habe: „Social Media Trends 2020“. Das scheint ein Thema zu sein, zu dem jeder etwas zu sagen hat.
Im Netz befassen sich zahlreiche Autoren mit den Social-Media-Trends für das Jahr 2020. Foto: Pixabay
Unter den vier wichtigstenTrends von BASIC Thinking taucht – was nicht überall der Fall ist – auch Augmented und Virtual Reality einmal wieder auf, was 2019 eher im Schatten von Künstlicher Intelligenz stand und für viele zu aufwändig zu produzieren war. Die Autorin Vivien Stellmach führt dies vor allem darauf zurück, dass 5G in diesem Jahr im Kommen sei. Die weiteren von ihr vorgestellten Trends sind wenig überraschend: Kurzweilige Inhalte und verantwortungsvolle Nutzung stellen demnach einen Trend genauso dar wie die wachsende Bedeutung von TikTok und von Influencer Marketing.
Werben & Verkaufen hat sechs wichtigste Trends für 2020 ausgemacht: Toni Stadler glaubt, dass kurzlebige Inhalte (wie Insta-Storys) beliebt bleiben werden. Nischen-Plattformen (dazu zählt er TikTok) werden weiter wachsen. Dass Instagram die Anzahl der Likes nicht mehr anzeigen wird, werde zu Veränderungen führen. Videoinhalte werden laut W&V weiter dominieren. Und auch Toni Stadler glaubt, dass Influencer-Marketing weiter an Bedeutung gewinnen werde.
Instagram holt zum Schlag gegen TikTok aus
Future Biz prophezeit, dass Instagram aus dem Konzern von Mark Zuckerberg zum Gegenschlag gegen TikTok ausholen werde: „Spricht man über die Unterschiede, dann wird auf die Scheinwelt auf Instagram gegen die neue Form von echter und authentischer Kommunikation auf TikTok gestellt.“ Ein Vorteil von Instagram werde sein, dass TikTok sehr viel mit Themen beschäftigt sein werde, die im „Facebook-Kosmos“ schon lange etabliert seien. „Man kann also sagen, dass Instagram sich einer idealen Position befindet. Mein Gefühl sagt mir, dass Instagram in 2020 sehr vieles richtig machen wird und TikTok noch sehr viel zu lernen hat. Das wird Instagram für sich nutzen“, meint Jan Firsching auf Future Biz. Außerdem prophezeit er, dass LinkedIn als Business-Netzwerk weiter an Beliebtheit gewinnen werde – vor allem auch dank seiner starken organischen Reichweite.
Fazit
Auffallend ist, dass die Ausblicke auf das Jahr 2020 Social Media vor allem als Marketing-Tool im Blick haben. Wie sich die Nutzung von Social Media für Journalisten 2020 ändern wird, wird eher selten thematisiert. Hier kann man davon ausgehen, dass soziale Netzwerke für die Recherche immer unverzichtbarer werden, weil Debatten (siehe das umgedichtete WDR-Kinderlied) im Netz angestoßen werden und erst darüber den Weg in die etablierten Medien finden. Auffallend ist übrigens, dass WhatsApp und Snapchat in den Social-Media-Trends 2020 kaum thematisiert werden, obwohl diese laut ARD/ZDF-Onlinestudie 2019 eine hohe Relevanz haben. WhatsApp liegt in der Nutzung sogar vor Facebook, Snapchat in Deutschland immerhin vor Twitter.
Frohe Weihnachten & einen guten Start ins neue Jahr! Foto: Pixabay
2019 war ein sehr arbeitsreiches und spannendes Jahr: An der Technischen Hochschule Nürnberg haben wir uns intensiv mit dem „Auto als Kommunikationsplattform der Zukunft“ beschäftigt. Über das Leonardo-Zentrum hat sich ein interdisziplinäres Forscherteam zusammengefunden, um an dem für die deutsche Industrie sicherlich eminent wichtigen Thema zu arbeiten. Im nächsten Jahr geht das Projekt weiter. Das Thema hatte ich ja schon zu meiner Zeit als Leiter der Medienstandort-Agentur MedienNetzwerk Bayern angestoßen, weil ich vor allem in der Zusammenarbeit zwischen Automobil- und Medienbranche ein enormes Potenzial sehe.
Absoluter Schwerpunkt in diesem Jahr war allerdings das Thema Change Management sowie Change Communication in der Medien- und Kommunikationsbranche. Wir haben Anfang des Jahres das Deutsche Institut für Change-Prozesse und digitale Geschäftsmodelle gegründet, ein Buchprojekt umgesetzt, Seminare an der TH Nürnberg und FAU Erlangen-Nürnberg dazu gegeben, etliche Meetups und Change-Frühstücke veranstaltet und inzwischen sogar das erste kleine Forschungsprojekt eingeworben. Ich selbst habe rund drei Dutzend Bücher zum Thema gelesen und – das war mein inspirierendstes Seminar – die Zertifizierung zum Prosci-Change-Manager in München gemacht. Auch das Thema werden wir im neuen Jahr weiter mit vollem Elan angehen.
Die weiteren Themenfelder, unter anderem Social Media, Crossmedia in Fachzeitschriften, ethische Aspekte des Roboterjournalismus, waren in diesem Jahr nicht weniger spannend. Ich freue mich schon, was das Jahr 2020 bringt, und danke allen Partnerinnen und Partnern, Kolleginnen und Kollegen für die hervorragende Zusammenarbeit in diesem Jahr!
Im Sommer habe ich mich an dieser Stelle etwas zurückgezogen und im Hintergrund an zwei anderen Projekten gearbeitet: Zum einen gibt es bei smartVHB, der Virtuellen Hochschule Bayern, zehn neue Lehreinheiten über Recherchieren (Herzlichen Dank an alle Mitwirkenden!). Zum anderen haben wir an einem Buch über Change in der Medien- und Kommunikationsbranche gearbeitet, das in dieser Woche auf den MEDIENTAGEN MÜNCHEN offiziell vorgestellt wird (Mittwoch, 23. Oktober 2019, um 13.00 Uhr auf der Expo-Bühne).
In den vergangenen beiden Jahren habe ich mich intensiv mit Change Management sowie Change Communication beschäftigt und versucht, dies mit der digitalen Transformation und dem Medienwandel zusammenzubringen. Dabei habe ich festgestellt: Die meisten digitalen Projekte in Medienunternehmen und Kommunikationsabteilungen scheitern nicht daran, weil sie fachlich schlecht geplant gewesen wären. Sie scheitern daran, dass klassisches Change Management vernachlässigt wird, dass die Menschen zu wenig einbezogen und mitgenommen werden. In diesem Beitrag will ich darüber sprechen, warum Medienunternehmen eine Change-Kultur brauchen:
Die Zeit der Monopole ist vorbei
Während lokale und regionale Medien früher häufig Monopolisten in ihrem Verbreitungsgebiet waren, konkurrieren sie heute mit ganz anderen Medien: mit TikTok bei den ganz jungen, mit Snapchat bei den etwas älteren und mit YouTube, Blogs, Google, Facebook, Instagram & Co. Dies führt dazu, dass klassische Verlage und Rundfunksender Innovationsabteilungen aufbauen müssen und sich ständig neu erfinden.
Die Digitalisierung hat erst begonnen
Es ist ein Irrglaube, wenn manche Verlage wieder einen Gang zurückschrauben, weil sie inzwischen ja eine News-App haben, das E-Paper auf Vordermann gebracht ist, sie sich mit ein paar 360-Grad-Inhalten schmücken und die Website ansehnlich und Usability-freundlich ist. Die Digitalisierung hat erst begonnen. Bleiben wird der stetige Wandel.
Die Mediennutzung ändert sich immer schneller
Was kommt nach dem faltbaren Smartphone? Die smarte Kontaktlinse? Oder was ganz anderes? Sicher dürfte nur sein, dass das Smartphone nicht die Endstufe eines digitalen Gadgets sein wird. Die Rezipienten sind außerdem unvorhersehbar: Hält der Podcast-Trend an? Wie lange bleibt Facebook noch das am meisten genutzte soziale Netzwerk in Deutschland (siehe dazu auch die neueste ARD/ZDF-Onlinestudie). Wird TikTok weiter wachsen?
Fake News zwingen verlage, sich zu wandeln
Fake News in sozialen Netzwerken sind eine Change für Verlage: Es zeigt die Unterschiede zwischen Journalismus und allem anderen im Netz deutlich auf. Es bedeutet für Verlage aber auch, dass sie ihre Kernkompetenz (Recherche und Verifikation) noch stärker ausbauen müssen und sich auf diese konzentrieren.
Der Kostendruck wird höher
Dies bedeutet, dass Redaktionen viel stärker als früher überlegen müssen, welche redaktionellen Schwerpunkte sie setzen. Für welches Thema lohnt sich zeit- und kostenintensive Recherche? Welche Geschichten will man als Redaktion (exklusiv) erzählen?
Dies sind in meinen Augen einige Gründe, warum Medienunternehmen eine Change-Kultur brauchen. Wie diese Veränderungsprozesse umgesetzt werden können, haben wir versucht, in unserem neuen Buch zu beschreiben.
Kaiser, Markus/Rückert, Maximilian/Schwertner, Nicole: Change in der Medien- und Kommunikationsbranche. Ein Leitfaden für Veränderungsprozesse und die digitale Zukunft, Aktuelle Analyse 72, München 2019. Link für die kostenfreie Bestellung
Es hat lange Zeit gedauert, bis sich zwei Autoren die Mühe gemacht haben, um ein Lehrbuch über digitalen Journalismus zu schreiben. Eigentlich, könnte man meinen, ist dies heute kaum mehr möglich, denn der digitale Journalismus hat inzwischen so viele verschiedene Facetten, dass es dazu jeweils individueller Bücher Bedarf. Zu Datenjournalismus, Virtual Reality, Chatbots & Co. gibt es auch bereits Publikationen. Aber was empfiehlt man einem Studierenden in den ersten Semestern oder einem Zeitungs-, Radio- oder Fernsehredakteur, der sich digital fortbilden will?
Deshalb ist es sehr lobenswert, dass Hektor Haarkötter (Journalismus.online) und Bernd Oswald (Digitaler Journalismus) in diesem Jahr zwei Werke vorgelegt haben, die einen generellen Einblick in das Fachgebiet geben. Ich schreibe diesen Blogbeitrag erst jetzt, weil nun auch Bernd Oswalds bislang lediglich online verfügbares Buch als gedrucktes Exemplar bestellt werden kann. Welches Buch ich von beiden empfehle? Unbedingt beide.
Bernd Oswald beschäftigt sich (wie auch Christian Jakubetz im „Universalcode 2020“) relativ stark mit den handwerklichen Fähigkeiten, die ein Journalist heute braucht, um crossmedial und auch mobil zu arbeiten. Es bietet einen schnellen und sehr guten Einblick, um hands-on zu erlernen, was in der digitalen Welt gefordert ist. Es ist verständlich geschrieben und setzt kein Insiderwissen voraus. Optimal, um den Einstieg ins Digitale zu schaffen.
Hektor Haarkötter bietet mehr Hintergrundinformationen. Er ordnet den digitalen Journalismus sehr gut ein und macht einen kurzweiligen Ritt durch Multimedia-Storys, Datenjournalismus, Social Media & Co. – um auch immer wieder zu beschreiben, wie er in verschiedensten Redaktionen Deutschlands war, um für sein Buch zu recherchieren.
Fazit: Wer beide Bücher kauft und liest, ist auf dem aktuellen Stand, was digitalen Journalismus 2019 betrifft. Wer sich dann noch vertiefend mit einer Darstellungsform (wie Virtual Reality, Multimedia-Storys etc. beschäftigten möchte), kann sich anschließend noch spezialisieren.
Rezo, YouTube und die Influencer – in diesem Blogbeitrag geht es mir nicht um eine politische Kommentierung. Am Beispiel des Videos „Die Zerstörung der CDU“ des YouTubers Rezo und der anschließenden Diskussion will ich vielmehr aufzeigen, dass das Influencer-Marketing derzeit überschätzt wird und dass es nicht möglich ist, durch Influencer eine Lücke zu schließen, die zwischen Produkt bzw. Unternehmen und dem Kunden klafft. Ich will damit nicht sagen, dass Unternehmen nicht auf Influencer setzen sollen und dass Produktpräsentationen durch Influencer zum Beispiel auf YouTube oder Instagram wirkungslos sind. Sie sollten sich aber zumindest fragen, warum niemand aus den eigenen Reihen diese Rolle übernimmt – oder übernehmen kann.
Wer ist der bedeutendste Influencer für Microsoft? Klar, Bill Gates. Für Apple? Steve Jobs, immer noch. Für Facebook? Mark Zuckerberg. Wenn Gründer eine Geschichte erzählen können, warum und wie sie zu ihrem Produkt kamen, wirkt dies zig mal stärker, als wenn ein Influencer ein Microsoft Surface, ein iPhone oder die Website von Facebook in die Kamera hält. Dabei geht es nicht nur um charismatische, sondern vor allem auch um authentische Persönlichkeiten. Genau also um das Attribut, das man Influencern zuschreibt: authentisch zu sein. Dafür bringt es nichts, wenn man Stars verpflichtet. Klar kann man damit seine Marke, sein Produkt bekannt machen (wie beim Werbespot von AOL mit Boris Becker, als dieser staunend fragte: „Bin ich da schon drin, oder was?“) – aber man kann es nicht mit Emotionen aufladen, wie wenn man als Unternehmer seine eigene Geschichte erzählt. Auch der einfache Mitarbeiter kann dies gut verkörpern, wenn er sich mit den Produkten und den Werten des Unternehmens identifiziert.
Botschaft und Sender müssen übereinstimmen
Um bei Kunden erfolgreich wahrgenommen zu werden, braucht es eine Übereinstimmung zwischen erstens dem Produkt bzw. den Werten des Unternehmens, zweitens dem Überbringer der Botschaft und drittens der Erwartungshaltung, dem Bedürfnis bzw. der Einstellung des (potenziellen) Kunden. Ansonsten kann Influencer-Marketing nicht funktionieren. Hier zeigt sich das Problem der CDU und warum der erst 26-jährige Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor vermutlich richtig damit lag, sein angekündigtes eigenes YouTube-Antwort-Video wieder zurückzuziehen: Produkt (also in diesem Fall Parteiprogramm und die Kultur innerhalb der Partei) und Sender der Botschaft schienen zusammenzupassen – aber nicht zur Erwartungshaltung des anvisierten Publikums (Abonnenten von Rezo) zu passen. Sollte die CDU nun auf einen klassischen Influencer setzen, würden der Überbringer der Botschaft und die Erwartungshaltung des Zielpublikums übereinstimmen (genau danach werden externe Influencer schließlich ausgewählt), aber mit großer Wahrscheinlichkeit wird es dann keine Übereinstimmung mit der Unternehmens- bzw. hier Parteikultur geben. Influencer kann man nicht einkaufen, um sein Produkt bei der angepeilten Zielgruppe sexy zu machen. Grundvoraussetzung ist, dass das Produkt zunächst einmal dafür passen muss.
Zwei Möglichkeiten gibt es daher: Man kann sein Produkt
verändern, damit es zur angepeilten Zielgruppe passt. Oder man kann sein Produkt
beibehalten und spricht damit die entsprechende Zielgruppe an. Sein Produkt
beizubehalten und via Influencer neue Zielgruppen zu erschließen, ist nicht
möglich. Das bedeutet für die CDU: Sie kann sehr wohl auf Influencer auf
YouTube und Co. setzen, die bei den jungen Wählerinnen und Wählern populär
sind. Damit dies erfolgreich wird, muss sie diese dann aber nicht nur in der
Außenkommunikation einsetzen, sondern auch integrieren und sie die politische
Agenda und Kultur innerhalb der Partei verändern lassen. Alles andere wäre unauthentischer
Etikettenschwindel, der im Social Web ohnehin keine Erfolgsaussichten hätte.
Die Social-Media-Welt dreht sich gerade wahnsinnig schnell. Laut ARD.ZDF-Onlinestudie 2018 ist Facebook in Deutschland zwar nach wie vor das mit Abstand am meisten genutzte soziale Netzwerk, aber es befindet sich auf dem absteigenden Ast: 31 Prozent der Gesamtbevölkerung nutzt es mindestens wöchentlich (2017 waren es noch 33 Prozent). Dafür ist Instagram von 9 auf 15 Prozent hochgeschossen, und Snapchat spielt bei den Jugendlichen noch immer eine große Rolle (9 statt 6 Prozent nutzen es). Natürlich gibt es erhebliche Unterschiede, was die Altersstruktur der jeweiligen sozialen Netzwerke betrifft.
Wie Redaktionen soziale Netzwerke verwenden, wird sich in den nächsten Jahren noch massiv wandeln. Foto: Pixabay
Das Besondere an der Entwicklung ist, dass es für Redaktionen keine Zukunft mehr hat, so stark auf soziale Netzwerke zu setzen, um Traffic auf die eigene Website zu bekommen. Denn bei der jüngeren Generation dominieren Instagram und Snapchat vor Facebook. Das stellt Redaktionen vor neue Herausforderungen: Es geht nicht mehr in erster Linie künftig darum, Social-Media-Post mit einem Cliffhanger zu versehen und den User auf die eigene Website zu locken. Vielmehr wird immer wichtiger, den journalistischen Inhalt direkt im sozialen Netzwerk zu platzieren, also dort die Geschichte zu erzählen oder die News zu verbreiten – häufig auch mit der Storys-Funktion. Die News-WG des Bayerischen Rundfunks macht es vor, was immer mehr Redaktionen künftig machen müssen, um jüngeres Publikum überhaupt noch zu erreichen.
Es stellt sich dann aber natürlich die Frage, warum sollte dies eine Redaktion machen: Auf die eigene Marke zahlt es (wie bei der News-WG) nicht mehr so stark ein, ein Geschäftsmodell muss dafür erst noch gefunden werden, und der Aufwand ist relativ hoch. Ganz zu schweigen davon, dass Redaktionen erst Erfahrungen mit den jeweiligen Medien sammeln müssen (zu Instagram für Redaktionen ist immerhin gerade erst ein Leitfaden von Selina Bettendorf im Verlag SpringerVS erschienen). Die aktuelle Debatte um Rezo und die CDU zeigt jedoch: Verschlafen sollte man als hauptberufliche Kommunikateure Trends jedenfalls nicht.
Am liebsten würde ich ihm jedes Mal tl;dr zurückschreiben, einem Geschäftspartner, der in jeder seiner Mails ewig ausholt, nie zum Punkt kommt und man nach dem Lesen erst noch einmal mühsam nachschauen muss, was überhaupt sein konkretes Anliegen war. tl;dr – das Motto der re:publica 2019 in Berlin – würde ich ihm gerne zurückschreiben. too long, didn’t read. Bitte in der digitalen Kommunikation auf den Punkt kommen! Videos im Netz sind keine 1:30 mehr wie Fernsehbeiträge, Feature haben keine 180 Zeilen mehr wie im Print und die Whats App ist der neue Brief. tl;dr – eigentlich logisch und unproblematisch. Oder doch nicht?
tl;dr ist das Motto der re:publica 2019.
Es gibt durchaus einen Gegentrend. „Slow Journalism“ wird dieser manchmal genannt, angelehnt an „Slow Food“: User wollen Hintergrundinformationen, sind bereit, auch längere Stücke zu lesen, Dokumentationen anzuschauen und nutzen Multimedia-Storys. Die Print-Branche setzt bewusst auf lange Stücke: die Süddeutsche Zeitung hat vor geraumer Zeit ihre Wochenendausgabe umgekrempelt, die Wochenzeitung Zeit floriert weiterhin. Gut recherchierter, gut reflektierter, gut argumentierender Journalismus hat sich auch im tl;dr-Zeitalter etabliert.
Das Motto der re:publica sollte also kein Grund sein, auf Häppchen-Journalismus umzusteigen. Doch auch im Printjournalismus galt schon immer: Jeder Text muss hinterfragt werden, ob er Redundanzen aufweist. Auch im Vor-Digital-Zeitalter galt es, mit der Zeit der Leser sorgfältig umzugehen. Also auch hier galt: Texte sollten nur so lange sein wie nötig. Aber wenn längere Texte nötig sind, um Hintergründe zu skizzieren und Zusammenhänge aufzuzeigen, dann sollte man sich den Platz dafür nehmen. Das ist heute sogar eine der zentralen Aufgaben des Journalismus, der kein Gatekeeper mehr ist (jeder kann heute im Social Web publizieren und sich eine eigenen kleinen Verlag aufbauen), sondern zum Erklärer wird. tl;dr darf also nicht zu Lasten des Qualitätsjournalismus gehen – vor allem in einer Zeit, in der aus dem Zusammenhang gerissene Zitate oder Fakten auf Facebook & Co. stark zur Meinungsbildung beitragen. Mal sehen, ob diese Perspektive vom 6. bis 8. Mai in Berlin auch zur Sprache kommt.
Auf der re:publica werde ich mich aber auf jeden Fall an tl;dr halten und nur ganz kurze Beiträge via Facebook, Twitter und Instagram mit dem absolut Wesentlichen posten.